Nymphensittiche ab welchem Alter für Kinder geeignet?

Nymphensittiche ab welchem Alter für Kinder geeignet?

Zunächst: mit 7 Jahren ist ein Kind auf jeden Fall zu jung, um
ganz allein für das Tier zu sorgen. Wenn Du ihr also Vögel kaufen
möchtest, mußt Du gewiß sein, daß Du Dich hauptsächlich um sie
kümmern müßtest.

Vom Temperament her sind Wellensittiche unruhiger als Nymphen,
beide - wie alle anderen Papageienarten (z. B.) auch - brauchen
einen Partner. Kaufst Du Männchen, ist es theoretisch möglich, sie
mit einem gleichgeschlechtigen Partner, also einem zweiten Hahn zu
halten. Bei Hennen würde ich auf jeden Fall abraten, denn die
meisten machen über kurz oder lang Probleme, wenn sie anfangen, Eier
zu legen und dies mitunter zur Psychose wird. Das ist keine Frage,
daß man dann täglich ein Ei wegräumen muß, sondern der Vogel wird
regelrecht geistesgestört mit der Zeit bzw. laugt seine Knochen
durch die ständige Kalziumproduktion aus, ja sie legen sich mit der
Zeit buchstäblich zu Tode.

Das Idealste freilich - und wie ich finde, auch das Interessanteste
- ist ein echtes Vogelpärchen. Besonders einfach und empfehlenswert
ist es, ein bereits verpaartes Vogelduo zu kaufen. So spart man
sich von vornherein den Ärger mit irgendwelchen charakterlichen
Unverträglichkeiten, die ja auch bei so unproblematischen Arten wie
Welli oder Nymphe auftreten, von vornherein und die Vögel nehmen die
neue Umgebung leichter an und fühlen sich schneller sicher dort,
wenn sie nicht allein sind. Sie können sich natürlich auch viel
besser miteinander beschäftigen und es gibt natürlich viel mehr zu
beobachten. Denn über eines mußt Du Dir im klaren sein: Ein Vogel
ist - im Gegensatz zu Hund oder Katze - kein Streicheltier. Für ihn
bedeutet die fürsorgliche Zuwendung, die das Kind ihm ja meistens
gleich angedeihen lassen will, natürlich in bester Absicht, völligen
Streß. Auch darauf mußt Du Dich einstellen, wenn Du das Vogelpaar
kaufst, daß Du ggf. Deine Tochter im Umgang mit den Tieren!
 bremsen mußt. Und es fällt einem so jungen Kind meist sehr schwer,
einfach nur danebenzustehen und zuzugucken, wo sie den Federbusch
doch einfach nehmen und knuddeln will. Aber dazu eignet sich ein
Vogel nun einmal nicht.

Sicherlich, wir können den Vogel (besonders, wenn er allein
gehalten wird) dazu bringen, sich streicheln zu lassen, aber wir tun
es auf Kosten des Tieres, denn das bedeutet für ihn in der ersten
Zeit großen Streß (und vor allem tiefe Deprimierung, von seinen
Nestgeschwistern und allen Artgenossen getrennt zu sein, ein Fall,
den es in der Natur gar nicht gibt und auf den das Tier seelisch und
instinktiv gar nicht eingestellt ist) und später große Einsamkeit,
denn er wird sich dem Menschen zwar (wenn er nicht besonders
schüchtern ist, diese Fälle gibt es nämlich auch) anschließen, aber
es wird eigentlich mehr die Verzweiflung sein, die ihn dazu treibt.
Das Verhalten kann dann - besonders nach der Geschlechtsreife -
später in Aggression oder in Lethargie umschlagen, das Tier könnte
eines der zahlreichen Prozente darstellen, die zum Beißer oder zum
Rupfer oder gar Kannibalen werden. Letztes bedeutet fast immer, daß
das Tier eingeschläfert werden muß, was sicherlich auch für alle b!
eteiligten Menschen eine sehr tragische Sache ist und immer mit
vielen Tränen einhergeht (dann ist es aber zu spät), ersteres endet
in fast allen Fällen damit, daß das Tier weggegeben werden muß und
die (ehemaligen) Halter sich einreden, der kommt zum Züchter und es
wird dann schon wieder und das Zweite endet meist ebenfalls
irgendwann mit der Weggabe, denn so ein gerupftes Brathuhn sieht ja
häßlich aus.

Das hört sich jetzt alles sehr grob an, ist aber tagtägliche
Realität - bereits wenn Du Dich durch einige Foren hangelst, wirst
Du zahlreiche Beispiele für diese Probleme finden und es ist - finde
ich - besser, den Leuten vorher zu sagen, wie groß die Gefahr ist,
daß das Tier sich nicht zu seinem Vorteil entwickelt, wenn es allein
leben muß. Es sind leider nicht die Ausnahmen, die so enden.

Insofern solltest Du - egal, für welches Tier und welche Art Du
Dich entscheidest - von vornherein auf zwei Tiere einstellen.

Du mußt folgendes wissen: Die Tiere besitzen sehr persönliche
Charaktere und sie sind mental sehr sensibel. Das hat gar nichts mit
Vermenschlichung zu tun, das ist eine reine Tatsache. Und je
nachdem, wie der Vogel veranlagt ist, zeigt er in diesen und jenen
Sachen ähnliche Verhaltensmuster, wie man sie auch von den Menschen
her kennt: Ein ängstlicher Vogel schickt immer Artgenossen voraus
und traut sich niemals zuerst, auch wenn eine Sache noch so
verlockend ist. Solch ein Vogel würde auch in Einzelhaltung niemals
völlig zahm werden, aber mit sehr großer Sicherheit würde er
melancholisch (weil eben sehr einsam) werden und er würde sich auch
mit großer Sicherheit rupfen oder gar anfressen. Ein sehr kecker und
dominanter Vogel würde mit Sicherheit schnell zahm werden, würde
aber ab der Geschlechtsreife so vehement einen Partner beanspruchen,
daß er sicherlich Aggressivität zeigen würde. Bei kleineren
Papageien richtet sich die Aggressivität mehr gegen ihr Spielzeug
und Einricht!
ungsgegenstände, vielleicht beißen sie auch öfters, aber das ist
für den Halter nicht gefährlich. Tragisch ist es trotzdem, weil der
Vogel darunter leidet. Bei großen Papageien kann es dann sogar für
die Familienmitglieder sehr gefährlich werden, denn die Bisse können
ganze Finger abtrennen oder (z. B. am Hals) große und schwere Wunden
verursachen.

Ich meine, die Folgen mögen verschieden sein, aber was sich in der
Psyche des Tieres abspielt, ist dasselbe.

Ach ja, wer natürlich die goldene Mitte erwischt, also einen Vogel,
der zwar natürlich zunächst scheu ist, aber ein munteres und
neugieriges Wesen hat, der kann natürlich einen Einzelvogel
bekommen, der keine gravierenden Probleme bereitet, umgedreht, den
Vogelpartner zu ersetzen (für viele Papageien ist es bereits ein
Problem, nur einen Bezugspartner zu haben, es fehlen die
vielfältigen Sozialkontakte im Schwarm, aber hier kann der Mensch
ganz gut Ersatz bieten), vermag der Mensch aber nicht. Deshalb
beobachtet man auch diese Vögel oft, wie sie verzweifelt
Gegenstände, Plüschtiere, Glöckchen oder auch den Menschen anbalzen
und sich zur Paarung anbieten bzw. sich zu paaren versuchen. Viele
Wellihähne füttern deshalb gern den Finger eines Familienangehörigen
und versuchen anschließend, sich mit ihm zu paaren.

Also, ich denke, der lange Text hat schon begründet, weshalb ein
Vogel auf gar keinen Fall allein gehalten werden sollte.

Ach ja. Ein echtes Pärchen ist ideal, aber da haben sofort alle
Halter gleich die Befürchtung, nun gibt's Nachwuchs. Dem kann man
recht leicht vorbeugen und wenn's Dich interessiert, sage ich Dir
auch gern wie, aber da kannst Du ja noch mal nachfragen, ich möchte
es jetzt nicht zu sehr ausdehnen...

Aber im Zweifelsfalle kannst Du ja zwei Männchen kaufen, am besten
Geschwister, die kennen sich von kleinauf und pflegen gewöhnlich
einen sehr innigen Kontakt zueinander.

Das wäre ein Grund, keine zwei Jahre zu warten. Ein weiterer ist
dieser:

Wenn Du erst einen Welli zähmen möchtest, um dann den zweiten zu
kaufen, braucht es keine zwei Jahre. Wenn Du es richtig anfängst und
dem Vogel Vertrauen einflößt, anstatt ihn mit Deiner Zuwendung zu
erdrücken, wird er bereits nach wenigen Tagen die Hand akzeptieren
und sich mutiger zeigen. Nach wenigen Wochen ist dann spätestens der
Partner fällig. Klappt dies trotz aller Bemühungen nicht, hast Du
solch einen ängstlichen Vogel erwischt, der auch an seinem
Lebensende nicht viel zahmer sein wird oder Du hattest einfach keine
rechte Zeit für ihn oder Du hast eben fast alles falsch gemacht.

Es gibt aber gute Gründe, den Vogel niemals allein zu lassen: Zu
zweit überstehen die Vögel den Schock, aus dem Heimatschwarm
gerissen zu werden besser (die meisten Vögel werden zu früh
verkauft), sie gewöhnen sich auch besser ein (man sollte sie in den
ersten Stunden oder Tagen besser in Ruhe lassen und nicht nerven),
es gibt immer einen, der neugieriger und mutiger ist als der andere,
sie können sich also besser an den Menschen gewöhnen. Natürlich ist
die Art der Zuwendung bei Vögeln, die zu zweit gehalten werden, eine
andere. Der Vogel kommt ja nicht zum Menschen, um ihn als Partner zu
werben und um sich mit ihm zu paaren, sondern um Leckerbissen zu
bekommen und interessante Dinge zu sehen. Aber meistens geht es um
Leckerbissen. Dementsprechend wird er nicht immer auf Kommando
angeflogen kommen und er wird den Menschen auch nicht stundenlang
begleiten. Bei einem Einzeltier ist das anders: so wie er seinen
Partner den ganzen Tag begleitet, wird er auch beim Menschen sein,
er!
 will essen, was der Mensch ist, sitzen, wo der Mensch sitzt,
hingehen, wo der Mensch hingeht, trinken, was der Mensch trinkt und
so weiter...

Ach ja: Wie zähme ich das Tier oder besser die Tiere? Eigentlich,
indem ich anwesend bin und sie nicht beachte. Zähmen bedeutet dabei
eigentlich nur, dem Vogel deutlich zu machen, daß von mir keine
Gefahr ausgeht. Fühlt sich der Vogel vom Menschen beobachtet
(besonders, wenn ich ihm tief in die Augen gucke), fühlt er sich
schon halb gefressen. Kennt der Vogel den Menschen, weil er in einer
Wohnung aufgewachsen ist, mag das anders sein. Ein Volierenvogel
wird den direkten Blick zunächst immer als Gefahr betrachten. Man
guckt ihn also gar nicht an und setzt sich abseits daneben. Zeit für
das Tier, den Menschen "unter die Lupe" zu nehmen. Später, wenn das
Tier den Menschen ignoriert und seiner Beschäftigung nachgeht,
sollte man sich näher stellen, hin zum Käfig. Mit etwas Kolbenhirse,
die man durchs Gitter (nicht durch die Tür) in den Käfig hält, kann
man das Eis ein bißchen aufweichen. Später kann man die Hirse auch
in die offene Tür (nicht auf den Vogel zu halten). Mit der Hand!
 darf man auf gar keinen Fall in den Käfig nach dem Vogel greifen.

Muß man in den Käfig greifen (Wasser wechseln, Futter...), tut man
dies besonders langsam und vermeidet den Blickkontakt mit dem Tier.
Der Vogel sollte ruhig zur Seite gehen können, so daß die Hand ihn
nicht berührt. Später wird er dies gelassen hinnehmen. Überhaupt
sollte der Käfig der Ort sein, wo das Tier sich immer geschützt
fühlt. Dementsprechend gehört er an einen Platz, der nicht zu
niedrig ist und in einer ruhigen, aber hellen und zugfreien Ecke
ist. Es sollte keinesfalls ständig jemand am Käfig vorbeilaufen
müssen. Das ist besonders in der Anfangszeit sehr wichtig. Wichtig
ist, man bedrängt das Tier nicht, sondern lockt es. Da sind
Kolbenhirse, Kräuter, Vogelmiere, Obst etc. gute Hilfsmittel.

Der Käfig selbst sollte natürlich geräumig sein. Je mehr Zeit das
Tier darin zubringen muß, desto größer muß er sein. Der bzw. die
Vögel müssen auf der Stange sitzend, beide Flügel durchschwingen
können, ohne das Gitter zu berühren oder sich dabei zu treffen. Das
ist ein echtes Mindestmaß.

Wenn die Tiere stundenlang im Käfig sitzen müssen, "schlafen" ihnen
die Muskeln ein, sie müssen die Flügel bewegen, um die Durchblutung
anzuregen.

Haben die Vögel keinen täglichen mehrstündigen Freiflug, müssen sie
in einer Flugvoliere gehalten werden, die mindestens 2 Meter lang
ist. Solche Volieren kosten ab 700 DM. Das muß man sich vorher gut
überlegen. Hat man dagegen ein Zimmer zur Verfügung, in dem die
Vögel den ganzen Tag Freiflug haben können und wo nichts drinsteht,
was ihnen "zum Opfer" fiele und für sie auch keine Gefahr besteht,
spielt die Käfiggröße eine eher untergeordnete Rolle.

Wann würde ich aber den Kauf eines Vogelpärchens für eine 7jährige
befürworten? Wenn Du selbst Interesse an Vögeln hast und Dir immer
schon einmal solche Haustiere zulegen wolltest (es Dich also nicht
stören würde, wenn das Kind sich nach 14 Tagen nicht mehr dafür
interessiert), dann ist es keine Frage, dann kannst Du wenig falsch
machen, sofern Du Dir über die Bedürfnisse der Tiere im klaren bist.
Es kann für das Kind lehrreich sein, wenn es in die Pflege
einbezogen wird, wenn es auf der Suche nach Wildkräutern und -samen
für die Vögel, die man ihnen nicht vorenthalten sollte, die Natur
kennenlernt, wenn es mit Dir Äste schneiden geht und Spielzeug für
die Vögel bastelt, wenn es die beiden mit Dir beobachtet und einiges
über das Verhalten lernt. Dann kann das Tier etwas sein, über das es
Verantwortung zu tragen lernt, allein wird es damit aber keinesfalls
fertig und die Vögel sind die Leidtragenden und Du sicher die
Genervte, an der alles hängenbleibt.

Das Interesse, sich Wissen über das Tier anzulesen und diese
niedergeschriebenen Erfahrungen bei dem Tier nachprüfen zu können
und zu erweitern, muß sich erst einmal ausbilden. Für eine 7jährige
ist das sicherlich noch viel zu langweilig.

Da ist eine Katze sicherlich ein praktischeres Haustier, denn sie
läßt sich oft bereitwillig kraulen, braucht keine ständige Zuwendung
(besonders, wenn sie zu zweit gehalten werden, weil sie sich dann
viel gegenseitig beschäftigen, dann quengeln sie auch nicht) und es
ist mit der Fütterung aus der Dose, frischem Wasser und einem
gereinigten Katzenklo an Pflege getan. (gut, Langhaarkatzen müssen
gebürstet werden)

Eine Katze kann leicht zum Spielen animiert werden, sie ist immer
da, wenn das Kind gerade mal etwas zum Knuddeln braucht (wenn sie es
dann gerade nicht mag, wird sie flüchten).

Ein Hund ist ebenfalls sehr gesellig, eigentlich noch anhänglicher
als die Katze, muß aber regelmäßig Gassi gehen und braucht eine gute
Erziehung. Außerdem kann das Bellen ein Problem werden.

Ein Hund darf auch nicht längere Zeit allein gelassen werden.

Jedoch der Pflegeaufwand an sich ist recht gering, Futter gibt es
in guter Zusammensetzung in Dosen und Tüten. Fellpflege kann nötig
sein, je nach Rasse.

Ein Vogel dagegen ist mit dem normalen Sittichfutter, welches es im
Supermarkt gibt, nur schlecht bedient. Das Futter ist meist nicht
vielfältig genug und entspricht in keiner Form den Saaten, die er in
der Natur fressen würde. Diese 1000 Knabberstangen und Zuckerkringel
machen ihn auf Dauer krank. Die Kalksteine enthalten oft wirklich
nur Kalk, eine vernünftige Mineralienversorgung gewährleisten manche
Knabbersteine aus dem Spezialhandel, dort bekommt man auch besseres
Futter. Zur guten Verdauung benötigt der Vogel Magensteinchen in der
richtigen Größe, dies wird oft gar nicht berücksichtigt - Vogelsand
ist ein schlechter Ersatz.

Die Futternäpfe und ganz besonders die Wassernäpfe müssen besonders
gründlich und regelmäßig gereinigt werden. Vögel sind in
Gefangenschaft besonders anfällig für Infektionen, weil ihr
Immunsystem durch die für ihren Organismus nicht optimalen
Bedingungen nicht so leistungsfähig ist wie in der Natur. Bei den
Australiern wie Nymphen und Wellis mag das Krankheitsrisiko noch
geringer, da sie nicht das große Problem mit der fehlenden
Luftfeuchtigkeit haben wie viele andere Papageien, deren Lunge daher
ständig leicht gereizt ist und deshalb schnell Infektionen
davonträgt. Doch auch Nymphen sind für ihre Vorliebe für
Sonnenblumenkerne, die man ihnen besser vorenthalten oder wenigstens
rationieren sollte, bereits gefährdet, an Aspergillose zu erkranken.

Die Pflegeansprüche sind also nicht so gering, wie man vielfach
glaubt. Schließlich soll der Vogel ein hohes Alter bei bester
Gesundheit erreicht und nicht nach wenigen Jahren oder in Krankheit
sterben. Nymphen werden immerhin gut 20 Jahre alt, ja, ich habe
bereits von mehr als 30 Jahre alten Nymphen gehört. Das sind
sicherlich Ausnahmen, aber wenn der Vogel mit 10 Jahren stirbt, sind
in den meisten Fällen doch die Bedingungen nicht gerade optimal
gewesen.

Also, dies sollte es zunächst gewesen sein, damit Du Dir ein Bild
machen kannst, was im Falle des Falles auf Dich zukommt und Du eine
objektivere Entscheidung treffen kannst.



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